Geschenk  ( Marmor ) von Ingrid Heidrich – Siggelaki Lieber Stein, recht lange Zeit wir uns schon kennen und immer noch ist schwer zu nennen, was Du mir bedeutest. Ich will´s versuchen. Wir trafen uns in einer Welt, wo Schein oft trügt, weil er nicht hält, was er verspricht. Geprägt von:  - “schön, teuer, neuer” war das Leben, und auch Kontakte sind dann eben oft flüchtig, schnell und grell. Recht stumpf ward mir der äuß´re Glanz, – nichts weiter als ein eitler Tanz. Dann traf ich Dich: scharf, rau und kantig, auch recht schwer, warst nur ein Stein und bist doch mehr … Kannst unter Krusten Dich verstecken, Dein Glanz strahlt innen, nur zu wecken, wenn man Dir nahe kommt. Und das hast Du zugelassen. Ich konnt´ es nur auf meine Art, als Mensch mit Werkzeug: … sanft, auch hart, mal mit Geduld und oft auch ohne. Mich dann gefragt, ob es denn lohne, zu opfern so viel Zeit und Kraft: „Hab´ denn ich überhaupt geschafft etwas Sinnvolles?“ Solch´ Zweifel … nicht aus Deiner Welt. Bist Marmor, - Stein Versprechen hält. Versprechen, mich nicht zu belügen, deckst Wunden auf, kein Stein kann trügen Du zeigst mir, was in Dir verborgen, und mancher Riss macht Angst und Sorgen. So kam es vor: Du bist zerbrochen, nach langem Weg, oft viele Wochen. Sehr selten wußt´ ich gleich: warum? Bis heute nicht, Du schienst mir stumm; denn ich war taub, den Klang zu hören: „Du sollst mein Wesen nicht zerstören. Ich bitte Dich, klopf nicht dort hin, wo ich so sehr verletzlich bin.“ Wir haben uns nicht verstanden. Nicht immer gingst Du ganz entzwei: so wie die Schale von dem Ei, so platzten ganze Stücke ab, mal nur ein wenig, mal nicht knapp. Oft war ich grad dort sehr bemüht, verzweifelt hab´ ich sie behüt´(et), um zu erhalten eine Form, die nicht entsprach des Steines Norm. Du hattest Dich also befreit. Und ich? Ich war oft nicht bereit, die Chance zu sehn in neuer Form und loszulassen jede Norm. Doch mit den Jahr´n ergab es sich: Ich darf vertraun auf Dich und mich. Oft spiegelst Du nur mein Befinden, deckst Schwächen auf, so wie ´nem Blinden. Aber bei allem lässt Du Wege offen, gibst Raum für neues Sehnen, Hoffen, einen Gleichklang zu finden. Wenn das gelingt, ist´s wunderbar – ein bisschen wie dem Himmel nah: Ein Geschenk
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